Wieder ein verspäteter Reisebeginn. Diesmal liegt es an Martin, der beim Wettrennen mit Frida (6 Jahre alt) bös gestürzt ist und sich etliche zu nähende Wunden und einen Nasenbeinbruch zugezogen hat. Doch bis Ende August sind die Fäden gezogen, die Wunden gesäubert und Martin hat wieder ein vertretbares Äußeres und so kann es pünktlich zu Septemberbeginn losgehen nach Norwegen.
Donnerstag, 01. September 2022
Die Bewässerungsanlagen für die Pflanzen sind installiert, die Nachbarin ist informiert, der Bus ist vollgetankt und es wir fahren am frühen Vormittag los gen Norden. Die Fahrt auf den deutschen Autobahnen ist easy und in Flensburg verköstigen wir uns im Fastfoodrestaurant. Wir überqueren die dänische Grenze und tuckern bis Horsens über flache, gut aufgeräumte Landschaft. Der örtliche Campingplatz ist jetzt in der Nachsaison übersichtlich belegt und wir vertreten uns am Abend die Füße noch am Fjord entlang wandernd.
Freitag, 02. September 2022
Gut ausgeschlafen treten wir am nächsten Morgen die Weiterfahrt an und schaffen die knapp 230km bis zur Nordspitze Dänemarks, bis Hirthals, locker, um die Mittagsfähre zu erwischen. Als allerletztes Fahrzeug befahren wir die Fähre. Die Überfahrt zieht sich (Sprit sparen ist angesagt) und ist primär langweilig. Das angebotene Essen ist okay, aber teuer bzw. umgekehrt teuer, aber okay. Die Mitreisenden reizen auch nicht zu Detailbeschreibungen.
Gegen 15Uhr ist´s geschafft und wir trullern – nicht als letzte – durch die Zollstation. Ein kurzer Besuch zu Fuß durch Kristianssand verschafft uns einen kleinen Überblick und ein paar norwegische Kronen aus einem Bancomaten. Auch wenn Norwegen das Land der Kartenzahler ist, denken wir doch, dass ein paar Münzen mit Loch den Alltag erleichtern werden.
Durch den Feierabend-Wochenende-Verkehr um Kristianssand herum stöppeln wir uns bis zum ersten Campingplatz bei Mandal und strecken unsere (wovon?) müden Glieder noch in der warmen Sonne aus.
Samstag, 03. September 2022
Am Vormittag schauen wir uns das hübsche Mandal mit seinen kleinen, weißen Holzhäuschen an. Wir parken an der Ostseite des regional bekannten Sandstrandes Sjøsanden und laufen entlang des schön angelegten Hafens mit vielen chicen Sportbooten bis zur „größten Holzkirche Norwegens“. Eine Hochzeit oder andere Festlichkeit scheint bevor zu stehen: aus allen Gassen kommen in Tracht = heißt auf Norwegisch Bunad – gekleidete Menschen und strömen der Kirche entgegen.
Wir kaufen noch ein wenig Proviant im Supermarkt ein und setzen dann unseren Weg entlang der Küste fort. Was sind wir froh, den Tipps der Autor:innen der mitgeführten WoMo-Führer zu folgen und statt der schnellen E39 die sich an der Küste entlangschlängelnde Regionalstraße 44 zu befahren. Eine unglaublich beeindruckende Landschaft mit glatt polierten Felsen, schroffen Berghängen und jeder Menge Haarnadelkurven lädt uns zum Bewundern und Staunen ein.
Eine Vielzahl von Seen säumen auf der rechten Seite und Weitblicke auf die Nordsee auf der linken Seite unseren Weg. Man könnte und wollte, wenn man dürfte, andauernd anhalten und Fotos schießen. Aber die Straße ist oft eng, einspurig, und die erlaubten Anhaltemöglichkeiten sind begrenzt. Also saugen wir mit den Augen auf, was reinpasst.
In Egersund, das wir am Nachmittag erreichen, pausieren wir zu einem köstlichen und teuren Kaffee.
Dann geht es die restlichen 100km bis zu unserem Tagesziel über Stavanger in nicht mehr so spektakulärer Landschaft. Dafür führt uns das Navi hinein in einen nicht enden wollenden Tunnel. Wir haben nicht bemerkt, dass wir in eines der Prestigeobjekte des norwegischen Straßenbaus geraten sind: in den Ryfasttunnel, der unter Wasser Stavanger mit Tau verbindet und der längste Unterwassertunnel der Welt ist (14,3 km) und der tiefste: 292 muh! Spektakel der besonderen Art!
Auch das norwegische Mautsystem haben wir noch nicht zur Gänze durchschaut: zuhause haben wir bereits eine elektronische Maut bestellt/bezahlt, aber es gibt keine Mautstationen. Anscheinend werden (irgendwo?) die KFZ-Schilder registriert und wir werden dann wohl nach Rückkehr ins Heimatland die gesammelte Rechnung präsentiert bekommen.
Am Abend laufen wir dann ein auf dem Campingplatz Preikestolen und kochen uns ein vorzügliches Risotto mit Gamberetti. Satt und zufrieden schlafen wir uns der morgigen großen Wanderung entgegen.
Sonntag, 04. September 2022
Gut ausgeschlafen begrüßen wir den kühlen Morgen, 13°C. Das Frühstück nehmen wir im Bus ein. Dann geht es auch schon los zum nur fünf Minuten Autofahrt entfernten Base Camp Preikestolen mit dem gebührenpflichtigen Parkplatz. Obwohl Nebensaison, aber Sonntag, ziehen wir mit vielen anderen Menschen los zum Start des Wanderweges zum Preikestolen. Schon nach wenigen bergauf-Metern müssen wir uns der Jacke entledigen, sie verschwindet im Rucksack.
Die meisten Mitwander:innen laufen als Paar oder als schwatzende Gruppe. Sprachen aus aller Herren Länder umgeben uns. Wir schaffen es kaum, uns miteinander zu unterhalten, so steil und mühsam ist der Aufstieg. Große Steine erfordern genaues Schauen, wohin man tritt. Die zu erklimmenden Stufen zerren an den Beinmuskeln. Vier Kilometer soll die Gesamtstrecke sein. Nach der Hälfte, 1,5 Stunden sind vergangen (allerdings sind hier schon 300 der 400 Höhenmeter überwunden und man musste ständig bergauf und bergab tippeln), wirft die Wanderin des Duos ein, dass sie sich nicht vielleicht doch überschätzt hat und lieber abbrechen sollte. Vor allen Dingen, weil bei dem Sichhinaufschleppen ja auch klar wird, dass das Alles auch wieder hinabgestiegen werden muss.
Letztendlich machen wir viele, kleine Pausen und schaffen es dann nach drei Stunden um die legendäre Kurve zu biegen, die den Blick freigibt auf das berühmte Felsplateau. Wir sind also angekommen, wir haben es geschafft, der Wind tost uns um den Kopf. Die Menschen machen Fotos, teils mit waghalsigen Handständen und anderen Posen, um den eigenen Triumpf und die atemberaubende Landschaft in Szene zu setzen.
Auch wir machen Fotos – ohne Posen.
Noch hat die Plackerei kein Ende. Der Rückweg steht an und wird ähnlich anstrengend, zumal die Kräfte schwinden, die Beine wackeln und das ganze Elend nun schon bekannt ist (Wegstrecke, Steilstücke usw.). Wir schaffen auch das, was bleibt uns auch übrig, eine Abkürzung gibt es nicht (erinnert mich an den Spruch an einer heimatlichen Gartentür: „Selbstmord ist auch keine Lösung“).
Martin reicht bei besonders hohen Stufen ganz Gentleman like seiner Lady die Hand – das tut er sicherlich 752mal – und nach 2,5 Stunden (mit mehreren Pausen) sind wir fix und fertig, aber zurück auf dem Parkplatz.
Den Automatencapuccino im Base Camp haben wir uns redlich verdient. Martins Erschöpfung erkennt man daran, dass er den Zucker für seinen Kaffee in den bereitstehenden Abfall schüttet, statt in den Kaffee.
Viel ist nicht mehr los mit uns heute auf dem Campingplatz: duschen, Abendessen und dann ab in die Falle. Schnarch.
Montag, 05. September 2022
Als Martin kurz nach 7 Uhr sagt, wir könnten ja jetzt aufstehen, bezichtige ich ihn des Scherzetreibens. Aber er meint das ernst, also tun wir´s. Wir haben noch was vor: unser braver Bus meldete schon seit dem Eintritt nach Norwegen einen notwendigen Ölwechsel – Serviceintervall.
In Stavanger haben wir eine geeignete Werkstatt ausgemacht, dorthin wollen wir heute Morgen.
Um den teuren, weil mautpflichtig, Unterseetunnel zu meiden und um noch ein bisschen mehr Landschaft zu sehen, wählen wir die Strecke über Oanes, dort geht die Fähre ab nach Lauvik, die übrigens fast genauso teuer ist, wie der Tunnel.
Der VW-Händler bei Stavanger bietet einen Termin morgen Früh um 8:30 Uhr an. Nehmen wir.
Dann fallen wir erstmal ein in ein nahe gelegenes Café – zumindest steht das draußen dran (Cafe 7-19) ein. Lustigerweise war das gar kein Café, bzw. nur ein „assoziertes“: ein schwedischer Markt für Handwerker. Dadurch gibt es in dem „assozierten Café“ billigen, und somit für Norwegen untypisch, Kaffee und preiswerte Süßteile. Wir planen dort erstmal unseren heutigen Tag und erstehen dann noch in dem Handwerkermarkt einen Toaster – für das labbrige norwegische Brot.
Nun geht es hinein nach Stavanger und wir parken hinter dem Ölmuseum. Zwei mächtige Kreuzfahrtschiffe, groß wie Hochhäuser, dominieren den Hafen.
Wir suchen und finden das Konservenmuseum, das aber leider heute zu hat. Also stromern wir mit Massen von Kreuzfahrtpassagieren durch Altstavanger und bewundern die schmucken, alten Häuschen. In einem Einkaufszentrum erstehen wir mittags, wieder ziemlich günstig (für die Bürobevölkerung gedacht?), einen Salat aus einem Buffet und verspeisen diesen auf einer nahe gelegenen Parkbank.
Ein Rundgang durch Stavanger beendet den Besuch der netten Stadt. Nun peilen wir den Campingplatz in Olberg an, der aber, wie wir feststellen, als wir dort sind nach einer halben Stunde, saisonbedingt schon geschlossen ist. Wir klettern noch rauf zum alten Wehrmachtsbunker und lesen auf einer Tafel, dass im 2. Weltkrieg Tausende von russischen Kriegsgefangenen hier interniert waren.
Es geht zurück Richtung Stavanger: der einsetzende Berufsverkehr in der Gegenrichtung ermuntert uns zur Diskussion, ob die Norweger nur einen sechs Stunden Arbeitstag haben (ja, haben sie, sagt die Internetrecherche!).
Nach einer weiteren halben Stunde gereichen wir den städtischen Campingplatz von Stavanger, am Mosvangener See, und teilen uns den Platz neben anderen Womos mit dicken, fetten, jugendlichen Möwen und stinknormalen Enten. Witziges Bypack ist, dass ein städtischer Rad- und Joggingweg quer durch den Platz führt, wodurch reges Treiben bis spät in die Nacht und schon früh am Morgen herrscht.
Die Aktivitäten für den heutigen Tag sind hiermit beendet, da die Beinmuskeln vom gestrigen Gewaltmarsch noch ordentlich schmerzen.
Dienstag, 06. September 2022
Ohne Frühstück geht´s früh los, weil wir ja den Bus in der Autowerkstatt abgeben wollen – müssen - dürfen. Derweil er „in Behandlung ist“, latschen wir zum Handwerkercafé zum Frühstücken.
Nach der Abholung des Busses wird es ein Tag mit wenig Lauferei, viel Fahrerei, viel Schauen und viel Känguru-Chroniken-Hören.
Wir fahren von Stavanger die Straße Richtung Haugesund, immer an der Küste entlang. Dann schwenken wir gen Nordost in Richtung Odda, um die angekündigten Wasserfälle Langfossen, Låtefossen und Vøringfossen anzusteuern. Die Straße ist kurven- (aber nicht so doll, wie im Womo-Führer angekündigt) und aussichtsreich: Fjorde, klare Seen, Bergwände, Weitsichten.
Die Wasserfälle sind schön, wir sind auch nicht die einzigen dort. Aber die angekündigten, weitreichenden, überbordenden, regenähnlichen Sprühnebel bleiben aus. Ergebnis des zurückliegenden heißen Sommers? Und/oder des Klimawandels?
Entlang des langgedehnten Sørfjords fahren wir im Obstanbaugebiet Norwegens und an jeder zweiten Hofeinfahrt werden Pflaumen oder Äpfel zum Verkauf angeboten – zu horrenden Preisen. Vom Feeling ist es fast so, als gondele man entlang eines oberitalienischen Sees.
Wenn die Straße die Chance gehabt hätte, die Berge hochzukraxeln, wurde ihr diese genommen und sie wird durch Tunnel an Tunnel geführt, krabbelt also unter den Bergen hindurch.
Einmal, schon am Ende des Tages, also reichlich müde, verpassen wir den richtigen Abzweig im Tunnel zum Vøringfossen und müssen damit über die mautpflichtige Brücke fahren und auch dieselbe – Mautplicht zum zweiten Male – zurück. Durchdachte Straßenführung, strenge Regeln, kein Pardon. Der Vøringfossen entschädigt die erlittene Müh´ und donnert frisch und dekorativ in der Nachmittagssonne den Berg in 49 Stufen hinunter.
Als der Abend sich neigt, erreichen wir den schon im Schatten liegenden Campingplatz Sæbø und beschließen, bei 13°C Außentemperatur, heute innen zu kochen und zu essen.
Mittwoch, 07. September 2022
Der kühle Morgen begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein. Die Duschsituation am Platz ist dicht, aber machbar (zu wenig Duschkabinen für zu viele Menschen, aber niemand macht Stress).
Nach einem kleinen Frühstück fahren wir los gen Bergen. Gute 160km liegen vor uns. Bei der ersten Straßensperrung wegen Wechselverkehrs läuft der Bauarbeiter die wartende Autoschlange entlang und informiert alle Fahrer über die voraussichtliche Dauer des Wartens – so etwas haben wir bei uns zuhause noch nie erlebt! Bei den beiden nächsten ähnlichen Situationen passiert das dann auch leider nicht wieder.
Wir gelangen dann nach Bergen erst gegen Mittag und müssen den Preis für unsere Naivität denn auch bezahlen. Platt gesagt: es gibt keine Parkplätze in Bergen, jedenfalls nicht für bushohe Touriautos. Das hatten wir durchaus auch schon vorher gehört, aber gedacht, wir finden schon was. Wir kurven ca. eine Stunde herum, um uns dann doch in ein Parkhaus mit 2m Höhe zu wagen. Annähernd nervenzerfetzt können wir dann endlich den Stadtrundgang in Bergen beginnen.
Noch etwas adrenalingepimpt und hungrig fallen wir in einen der erstbesten Imbisse im Fischmarkt ein – und essen durchaus ganz gut. Später entdecken wir die gesuchten großen, eleganten Markthallen, die wir eigentlich aufsuchen wollten. Da hätte man viel chicer, exquisiter - und natürlich auch teurer – dinieren können. Aber die alte Lehre aus schon mehrfach erlebter Lebenssituation: „Hast du Eile, nimm dir Zeit!“ haben wir – wieder einmal – nicht angewendet. Wir hadern nicht, wollen es aber zukünftig besser machen.
Bergen, die Stadt, in der es eigentlich immer regnet, lacht uns heute mit ihrem vollen Sonnengrinsen an. Wir laufen am Hafen entlang, besuchen die mittelalterlichen Häuser des Viertels Brygge und fahren mit der Standseilbahn hinauf auf den Fløyen, einen der Berge, die die Stadt umgeben. Von dort haben wir einen fantastischen Blick und ein leckeres Eis.
Wir verlassen Bergen am späten Nachmittag und fahren 20km in einem großen U nach Nordosten zum Campingplatz Lone.
Donnerstag, 08. September 2022
Morgens sind die Scheiben des Busses beschlagen und draußen feuchtelt´s. Unser Frühstück nehmen wir an der Shell-Tankstelle ein, die sich unmittelbar vor dem Campingplatz befindet.
Gegen halb zehn Uhr kommen wir dann los und streben als Tagesziel den Jostedalsbreen an – was wir aber nicht erreichen werden. Grobe Richtung: Nordost.
Es werden heute gar nicht so viele Kilometer werden, aber das Vorankommen auf den engen, kurvenreichen Straßen Norwegens gleicht halt nicht einer Rennstrecke und außerdem muss man ja auch ab und an aussteigen, um zu gucken.
So schön ist die Landschaft, wo wir an dem Sognefjord und dem Nærøyfjord entlang gleiten. Im Wintersportort Voss beschließen wir, das Schicksal entscheiden zu lassen, ob wir ab Gudvanger die 2 ¾ Stunden Fjordfahrt nutzen wollen zur Weiterfahrt nach Kaupanger oder die „steilste Straße Norwegens“ über das Gebirge. Keinesfalls wollen wir heute die auch noch zur Verfügung stehende Tunnel-an-Tunnel-Variante wählen.
Das Schicksal ist eindeutig: in Gudvanger bekommen wir heraus, dass der besagte Fährverkehr over ist für diese season. Damit ist die Entscheidung für die Aurlandsfjellet-Landschaftsroute gefallen. Eine gute Wahl!
Auf dem Weg dorthin fahren wir noch durch das kleine Flåm. Ein gigantisches Kreuzfahrtschiff liegt vor Anker. Die Passagiere verteilen sich auf die zu mietenden E-Flitzer und auf die berühmte Flåmbahn, die eine atemberaubende Strecke durch die Berge fährt. Aber das heben wir uns für ein ander´ Mal auf.
Nun zur Aurlandsfjelletroute: Die Straße ist 47km lang und windet sich in 13 einspurigen Haarnadelkurven hinauf bis auf 1300m. Zweitausender mit Schneemützen blicken auf die winzigklein wirkenden Autos. Lange fahren wir auf einer Hochebene mit einer skurril wirkender Steinlandschaft aus grauen Brocken mit grüner Beflechtung dahin. Trotz der niedrigen Temperaturen hier oben (7°C) ist der Fotograf stark ermuntert, seinen Job gut und ausgiebig zu tun.
Am Ende wirft uns die schöne Straße kurz vor Laerdal wieder aus und wir nutzen zur Fortsetzung unserer Fahrt auf der Regionalstraße 5 und zum Übersetzen über den Fjord wieder einmal eine Fähre.
Eines haben wir in Norwegen noch gar nicht gemacht, obwohl es ein „must“ ist: Stabkirchen gucken. Nun soll eine, eine der ältesten der Welt angeblich, ganz in der Nähe stehen, also fahren wir hin. Aber sie ist so unspektakulär (mickrig und braungrau), dass wir uns nicht mal zum Aussteigen motivieren können – geschweige denn zum Fotografieren.
Nur noch wenige Kilometer und wir erreichen den Campingplatz Kjornes kurz vor Sogndal. Wir suchen uns einen Premiumplatz mit Blick auf den Fjord.
Freitag, 09. September 2022
Große Fahrtkilometer werden wir heute nicht machen. Wieder einmal haben wir keine Lust, Frühstück am/im Bus einzunehmen und fahren nach dem Duschen am Morgen los zu einer Tanke in Sogndal und geben dem Bus ´ne Ration Diesel und uns zwei Kaffee plus Süßteile.
Dann geht es die RV 55 entlang bis zum Ende des Gaupnefjords. Dort biegen wir links auf die Straße 604 ab und fahren knapp 40km entlang des wunderbar türkisfarbenen, wilden Baches bis zum Informationszentrum für den Nationalpark Jostedalsbreen. Von dort sind es noch 2,5km über eine Bezahlstraße bis wir am Gletschersee parken und unsere Wanderschuhe anziehen. Wir können die Gletscherzunge des Nigardsbreen schon sehen.
Über große Steinplatten und – brocken stolpern wir 1,5 Stunden bergauf, erst am See entlang und dann hinauf bis zum Gletschermaul. Kalt ist es hier oben! Die wenigen anderen aufsteigenden Menschen verlieren sich in der Weite der steilen Steinplatten, die rundpoliert als ehemalige Gletscherbestandteile die Landschaft prägen. Sogenannte Landkartenflechten geben den Steinen teilweise hübsche Neonfarbakzente.
Überwältigt von der Schönheit des Gletschers und dem unablässigen Rauschen des herabfließenden Wassers verweilen wir eine gute Weile. Weiter in den Gletscher hinein/hinauf, auf die Firnplatten, wollten wir eh nicht.
Bevor sich eine geführte Truppe der Gletscherwandertouristen, bewaffnet mit Steigeisen und Eispickeln, nähert, bewegen wir uns dann wieder abwärts. Auf dem Rückweg nehmen wir nach zwei Drittel des Weges das Bötchen über den Gletschersee: ein netter, junger Norweger setzt die, die es wollen, hinzu und/oder auch zurück gegen 40 NKR/Person/Fahrt über.
Zurück beim Bus, fahren wir noch ins oben genannte Museum. Am späteren Nachmittag treten wir den Rückweg über die 604 an und suchen – eigentlich auf dem Weg zur Landschaftsstraße Sognefjell, einen Campingplatz zur Bleibe heute. Die Landschaftsstraße ist nämlich gesperrt wegen Steinschlags und es ist nicht gewiss, ob sie morgen wieder befahrbar sein wird.
Wir finden einen kleinen Campingplatz in Skjolden direkt am See. Mit drei anderen Campern bleiben wir die einzigen hier heute in der Nebensaison.
Samstag, 10. September 2022
Ordentlich kühl ist es am Morgen. Ab kurz vor 9Uhr erscheint in Autos und versammelt sich eine Truppe von in Tracht gekleideten Norweger:innen zum Fototermin am See. Vielleicht eine bevorstehende Feier zur Goldenen Hochzeit?
Wir frühstücken wie echte Camper diesmal mit Müsli und Tee im Bus und entdecken im Netz, dass die Straße, die wir fahren wollten, noch immer gesperrt ist.
Also modifizieren wir unsere Pläne und fahren zunächst – so weit ist die Straße noch frei– knapp bis auf die Passhöhe des Sognefell (1390m) hinauf. Wunderschöne, weitläufige Landschaft, mit Blick auf die umgebenden Breheimen-Gletscher, mit bizarrer Steinwüste und mit glitzernden Wolkenformationen legt sich vor unsere Füße.
Dann geht es wieder hinab und auf einer mautpflichtigen Straße weiter bis Årdal, wo wir eine Kaffee- und Supermarktpause einlegen. Ab da verändert sich die Landschaft: glasklare, glatte, spiegelnde Seen, viele, viele norwegische Ferienhäuser, die wie zufällig verstreut in der weitläufigen Landschaft stehen. So geht es über Strecken voran bis wir kurz auf die E16 und mit einer Abkürzung auf die Straße 51, die straight nach Norden führt, kommen.
Ganz unverhofft, weil in keinem unserer mitgeführten Womo-Führer beschrieben, gelangen wir so auf die Landschaftsroute Valdresflye. Zunächst queren wir den Wintersportort Beitostolen, sieht recht skurril aus so ohne Schnee. Dann geht es durch das beliebte Wandergebiet Valdresflye auf der Hochebene auf ca. 1300m entlang und wir kriegen gar nicht genug von der jetzt wieder neuen Szenerie: wüstenähnliche, gelbe Steppen mit wilden Steinen und blauen Seen – das alles umrahmt von hohen Bergkegeln. Im Netz finden wir in der Nachrecherche die Formulierung „wo die Straße schwebt“ – das passt!
Am Ende der Straße, nach knapp 50km, wird denn auch noch eine Stabkirche in Vågåmo präsentiert: damit ist auch dieser Pflichtpunkt erstmal abgehakt.
Im Nachhinein bedauern wir es in keiner Weise, dass die gesperrte Sognefelldurchfahrt nicht möglich war, da uns sonst diese – ungeplanten und unverhofften – Landschaftshighlights entgangen wären.
Nun schon müde von den 300 Tageskilometern trullern wir dem Campingplatz in Lom entgegen und freuen uns schon auf ein Glas Wein und die Spaghetti Pesto aus der Hausküche.
Sonntag, 11. September 2022
Morgens ist die Wiese bereift und es ist saukalt (2°C). Um halb neun liegt der Campingplatz noch im Schatten. Wir stapfen nach der heißen Dusche zur nahegelegenen Tankstelle und kaufen dort schlechten Kaffee.
Als wir gegen 10Uhr abfahren vom Campingplatz hat sich die Sonne endlich aufgerafft, die hübsche, frisch geteerte Stabkirche von Lom in bestes Licht zu setzen. Wir statten dem Innenraum noch einen Besuch ab und bewundern die Schnitzereien und die Holzbilder.
Wir verlassen Lom nun endgültig und fahren gen Norden auf der Straße 15. In Grotli, das gar kein richtiger Ort ist, sondern nur ein Hotel, ein Parkplatz und ein paar Souvenirstände biegen wir auf die, anfänglich zur Hälfte ungeteerte (mal wieder „offroad“) Gebirgsstrasse 258 hinauf zum Strynefjellet. Eine wildromantische Landschaft mit rot leuchtenden Pflanzen und Hochgebirgsfeeling führt hinauf zum bekannten Sommerskigebiet Norwegens.
Leider ist der Sommer ja vorbei – eher frühe Herbstimpressionen kommen auf – und damit fährt da oben nun auch niemand mehr Ski, die Lifte stehen still. Aber es hat sich allemal gelohnt die enge, kurvige Straße mit Ausblicken auf den Tystigbreen-Gletscher zu befahren.
Nach knapp 30km wirft sie uns wieder auf der Straße 15 aus, von der wir dann aber bald Richtung Geiranger abbiegen und dann durch mehrere, lange Tunnel donnern.
Und nochmal wählen wir eine Sonderschleife: über eine kostenpflichtige Privatstraße schrauben wir uns hinauf auf 1476m zur Spitze des Dalsnibba. Von dort haben wir einen fantastischen Blick bis auf den Geirangerfjord und die Berge drum herum.
Nach einem leckeren, dick belegten Lachssandwich und einem, diesmal annehmbaren, Cappuccino geht es dann wieder über Serpentinen hinab zum Ort Geiranger. Leider liegt gerade heute kein Kreuzfahrtschiff vor Anker dort. Das wäre ein Hingucker: enger, malerischer Fjord und überdimensioniertes, schwimmendes Hotel.
Auf dem sogenannten Adlerweg geht es dann wieder hinauf in die Berge und hinab nach Eidsdal, wo wir mit der Fähre übersetzen nach Valldal.
Der berühmte Trollstigen ist das nächste Ziel. Zunächst betrachten wir die zu befahrende Strecke von der schwebenden Fußgängerbrücke beim Aussichtspunkt Gudbrandsjuvet aus, um bald darauf selbst hinunterzufahren. Martin tut dies – wie immer auf dieser (und allen anderen) Reisen – souverän, lässig und gekonnt.
Wir steuern den Campingplatz Trollvegen an und richten uns für den Abend ein. Trollvegen ist ein bekanntes Klettergebiet, da es steil aufragende Bergwände von über 1000m hat. Ganz genial in Norwegen ist es, dass alle Campingplätze einen Raum vorhalten, den sie „Kjøkken“ nennen, also Küche. Dort können die Camper, Herde, Backofen, Spüle etc. nutzen (und hinterher auch wieder sauber machen). Ganz häufig werden auch Tisch und Stühle, ein Essplatz, bereitgestellt.
Für uns, die wir uns abends selbst und oft „warm“ verpflegen, ist das höchst komfortabel und gern genutzt – so weit wie hier, die Kjøkken einladend sauber wirkt.
Montag, 12. September 2022
Morgens nieselt es ein ganz wenig und wir verlassen den Campingplatz gegen 9:30Uhr. Frühstück gibt es wieder in Kombination mit der Autobetankung (Kaffee diesmal okay).
Dann geht es eine knappe Stunde bis zur Fährstation von Åfarnes: wir setzen über den Langfjorden über und tuckern danach bis Molde, eine der vielen norwegischen Städte, die 1940 von der Wehrmacht bombardiert wurde, so dass von der ursprünglichen Bebauung annähernd nichts mehr übrig ist. Wir laufen ein wenig durch die Stadt der „Rosen und des Jazz“ und begucken vom Hafen aus das Panorama der 87 Berggipfel auf der anderen Seite des Fjords.
Als um 12Uhr das Glockenspiel der Domkirche erklingt, schwingen wir uns wieder in unseren Bus und streben dem heutigen Highlight entgegen: der Atlantikküstenstraße. Auch sie gehört zu den extra so bezeichneten „Landschaftsrouten Norwegens“. Nur 36 km ist sie lang, als schmale Straße führt sie direkt am Meer entlang über mehrere Inseln und Schären und über insgesamt sieben Brücken (Martin summt den Karat-Song vor sich hin).
Teilweise erinnert die moorähnliche Vegetation stark an England. Schon wieder müssen wir immer wieder anhalten, gucken und fotografieren.
Als die Pracht vorbei ist, sind es noch wenige Kilometer bis Kristiansund. Der Magen hängt schon auf halbacht und so freuen wir uns, gleich neben dem städtischen Parkplatz einen Supermarkt zu finden, der eine Salatbar hat. Als selbiger auf einer Parkbank sitzend verspeist ist (der Salat! nicht der Supermarkt), erlaufen wir ein wenig das nicht besonders große Kristiansund (auch 1940 bombardiert) und schippern mit der kostenfreien Fähre zwischen den drei Inseln, auf denen die Stadt erbaut ist, herum.
Unser erster Einkauf im Vinmonopolet steht bevor: Wie jeder weiß, ist Alkohol in Norwegen sehr teuer. Darüber hinaus darf er aber auch nicht in normalen Supermärkten o.ä. verkauft werden, sondern nur in staatlich kontrollierten Geschäften, den o.g. Vinmonopolet. Und das tun wir heute und erwerben einen 3 Liter Karton italienischen Primitivos für „xy Nocken“ – wie Martin die hiesige Währung immer nennt.
Es sei schon mal verraten: geschmeckt hat das Gläschen des roten Saftes durchaus am Abend auf dem Campingplatz Atlanten in Kristiansund.
Kleiner, wenn auch erwarteter, Wermutstropfen: es scheint das mal gewesen zu sein mit dem spätsommerlichen Sonnenwetter. Am Abend fängt es an zu regnen.
Dienstag, 13. September 2022
Wir haben diesmal das Aufstelldach ruhen lassen und im Inneren des Busses – in der Schuhschachtel – übernachtet. Kalt war es nicht, eher gemütlich. Auf das Duschen verzichten wir, weil erstens nicht geschwitzt und zweites die Duschen oll sind, zumindest nicht ansprechend.
Bei leichtem Regen ziehen wir ab von Kristiansund. Das mit dem Wetter wird sich für heute nicht recht viel bessern: Regen, Wolken und grauer Himmel. Wir dreschen Kilometer gen Norden, durchqueren wieder etliche Tunnel, nehmen auch wieder eine Fähre und pausieren an ein paar Tanken plus in Trondheim. Da es dort auch regnet, wird unser Stadtspaziergang nicht recht lang. Dom von außen angeguckt, zum Marktplatz gelaufen, Kuchenstück und Kaffee konsumiert, keine Fotos gemacht wegen Lichtmangels. Außerdem haben wir wahrscheinlich den teuren Parkplatz doppelt bezahlt. Manchmal ist das Glück halt nicht bei uns, sondern mal bei den anderen.
Dann kloppen wir noch weitere etliche Kilometer auf der E6 gen Norden. Die Dichte der offenen Campingplätze wird dünner. Bei Namsos finden wir einen. Die Rezeption hat schon geschlossen, nur eine Toilette ist offen. Morgen früh ab 8Uhr könnten wir den Platz bezahlen. Lange Gesichter.
Nach einer erfolgreichen Platzsuche laufen wir gegen den Frust einmal um den dazugehörigen kleinen See herum und gucken nochmals auf die Informationen an der Rezeption … und entdecken eine Telefonnummer, wenn man Zugang zu den Sanitärräumen außerhalb der Öffnungszeiten begehrt. Der Anruf beschert Erfolg, über einen Zahlencodesafe können wir Chips entnehmen, die anschließendes entspanntes, ausgiebiges Duschen erlaubt. Schon sieht die regennasse Welt wieder etwas rosiger aus.
Mittwoch, 14. September 2022
In der Schuhschachtel klingt nächtlicher Regen eher wie beruhigende Einschlafmusik. Somit verbringen wir eine entspannte, milde Nacht. Am Morgen zeigt sich der Himmel grau, aber die Tropfen halten sich zurück als wir gegen 9:30Uhr aufbrechen.
Wir schippern weiter die wunderbare Küstenstraße FV17 entlang und freuen uns über die herbstlich sich färbende Landschaft. Die FV17 verläuft zwischen Steinkjer und Bodø direkt an der norwegischen Atlantikküste und ist 655km lang.
Bei Holms geht es für uns heute auch schon auf die erste der sechs angekündigten Fähren auf der Strecke. Unser Tagesziel, den Torghatten, erreichen wir am Nachmittag. Damit haben wir noch genügend Zeit auf den „Berg mit dem Loch“ = Torghatten, was übersetzt „Markthut“ heißt, hochzusteigen. Es geht heftig bergauf über steile Steinstufen und Geröll, aber nach einer halben Stunde haben wir den spektakulären Bergdurchbruch erreicht.
Der Wettergott ist sehr gnädig zu uns und lässt den Wasserhahn abgestellt. Abwärts wird es dann auch nicht einfacher und wieder bin ich froh über Martins Hand, die hilft, die steilsten Abschnitte zu bewältigen. Wir wählen den Rundweg und kommen nach 1,5 Stunden wieder am Parkplatz an.
Der Campingplatz für diese Nacht ist nur 80m entfernt: freie Platzwahl am idyllischen See und wie meist jetzt in der Nebensaison nur wenige andere Camper und eine Rezeption, die erst am Abend, von einem überaus netten Norweger, gegen 21Uhr geöffnet wird.
Donnerstag, 15. September 2022
Um die übliche Zeit kommen wir morgens weg und fahren über die kleinen, zerzisselten Inselfetzen zurück nach Brønnøysund, um dort in einem Einkaufszentrum zu frühstücken. Dann geht es auf der FV17 zu Fähre Nr. 2 bei Horn. Diese setzt über nach Andalsvågen.
Wir zuppeln gemütlich durch die Herbstlandschaft bis zur Fähre Nr. 3 von Forvik nach Tjøtta. Wunder über Wunder fordert nach dem Checken des KFZ-Schildes durch das Fährpersonal diesmal niemand von uns eine direkte Bezahlung. Sollte es mittlerweile geklappt haben mit unserer elektronischen Maut? Die Wege des Herren sind unergründlich.
Auf der Fähre sehen wir in der Ferne die „Sieben Schwestern“, sieben Berggipfel, die nahe beieinander liegen. Nach dem erneuten Anlegen dort kommen wir am Museum für Petter Dass (dem bedeuteten norwegischen Lyriker des 17. Jahrhunderts) vorbei, einem sehr idyllischen Flecken Land. Martin sagt, ich soll jetzt diesen Satz schreiben (eigentlich weigere ich mich, aber er ist Fan von Heinz Erhardt, also tu ich´s): „Als wir da so schauten auf den lieblichen Fjord, routete hurtig ein Schiff vorbei …“, das Martin natürlich auch fotografierte.
Dann geht es weiter auf der Küstenstraße und wir erblicken die „Sieben Schwestern“ noch einmal von näher. In Sandnessjøen pausieren wir erneut bei Kaffee und Lachsbaguette. Dabei trullern Nachrichten aus der Heimat auf dem Smartphone ein: ein Einschreiben ist angekommen, niemand kann es wegen fehlender Vollmacht abholen. Also müssen wir uns eine Lösung ausdenken und schalten die daheimgebliebene Verwandtschaft ein. Da wir eigentlich nichts erwartet haben, mutmaßen wir, was das wohl sein könne und tippen auf den Inkassomautbescheid aus Italien vom Juni. Na, mal sehen.
Wir überqueren die berühmte Helgelandbrücke und von da sind es noch bis zur nächsten Fähre (=Nr. 4) 25km. Auch auf Fähre 4 werden wir nicht direkt zur Kasse gebeten. Es ist eine kurze Überfahrt von Levang bis Nesna und dann liegt schon 100m weiter unser heutiger Campingplatz, direkt am Meer gelegen und absolut unterfrequentiert heute.
Freitag, 16. September 2022
Schuhschachelnacht again, nicht wegen Regen, sondern wegen Wärme. Der echte Wohnmobilist steht frei und wild … aber darauf sind wir nicht unbedingt scharf. Dusche und Strom zu haben, sind schon nicht so schlecht.
Morgens suchen wir noch in Nesna nach dem Supermarkt und einer, Kaffee spendenden, Tanke und finden beides. Es ist schon absurd: man freut sich bei den Süßteilen einen Deal zu machen (Kaufe 3 für 2) und gibt ein horrendes Geld für einen Zigarettentabak aus. Naja …
Weiter geht es auf der FV17 bis wir nach zwei Stunden die Fährstation Kilboghamn erreichen. Viel zu früh! Die Fähre geht erst um 14Uhr. Wir reihen uns als zweite ein und verbringen die nächsten 2,5 Stunden bei strahlendem Sonnenschein Fish & Chips verspeisend, aufs Wasser guckend und mit einem kleinen Spaziergang in die nahe Umgebung.
Auf der einen Stunde Überfahrt nach Jektvik überqueren wir den nördlichen Polarkreis und machen das eine Foto, das noch nie jemand vor uns geschossen hat (zwinker zwinker). Übrigens, wollte wieder niemand unsere Kreditkarte sehen.
Noch gut 30km sind es bis zur letzten der sechs Fähren auf der Küstenstraße - diesmal eine kurze.
Was sich dann nach dem Überqueren des Polarkreises anschließt, ist eigentlich nicht mit Worten zu beschreiben bzw. würde nur abklatschmäßig klingen: eine dermaßen schöne, beindruckende Landschaft – jetzt noch mit den herbstlich gefärbten Bäumen in gelb und rot–, eine schön angelegte, kurvenreiche Straße, Seen/Fjorde mit glatten Oberflächen, in denen sich die Boote und die falun-gestrichenen roten Häuschen spiegeln, der Svartisengletscher mit seiner türkisen Zunge, steile, kahle, graue Felsen und Berge … es ist einfach unbeschreiblich, wie eine Märchenlandschaft.
Es ist kaum möglich für Fotos einfach anzuhalten auf den norwegischen Straßen und die angebotenen Buchten für den Panoramablick können nur einen Bruchteil des Festhaltens dieses visuellen Overkills ermöglichen.
Auf den letzten 30km vor unserem heutigen Ziel Saltstraumen gibt es noch einen Fastzusammenstoß mit einer Elchkuh, die sich auf ihren langen Haxen über die Leitplanke schwingt und über die Straße läuft. Rechtzeitige Bremsung und flüchtendes Tier verhindern das Unglück.
Ziemlich platt nach einem echt langen Tag laufen wir am Abend auf dem Wohnmobilpark Saltstraumen ein.
Samstag, 17. September 2022
Nach einer ruhigen Nacht begrüßt uns am Morgen Sonne pur. Der Saltstraumen ist der stärkste Gezeitenstrom der Welt und wie wir gestern Abend noch in Erfahrung gebracht haben, zeigt sich der Höhepunkt der zu beobachtenden Wasserstrudel (bei rausfließendem Wasser) heute um 10:17Uhr. Wir laufen also rechtzeitig vom Campingplatz über die große Saltstraumenbrücke und kaufen noch ein Frühstück auf die Hand beim örtlichen Supermarkt ein. Dann geht es zurück, rechtzeitig zum Spektakelbeginn, auf die vordersten Plätze – sprich Bank direkt über dem Sund – und wir beobachten und fotografieren fasziniert die immer stärker werdenden Strudel.
Gegen 11Uhr verlassen wir dann den Campingplatz und machen uns auf nach Bodø. Erst am Nachmittag soll die Fähre auf die Lofoten ablegen, aber wir wollen schon mal checken, wie die Bedingungen (Welche Schlange? Wo kauft man das Ticket? Wie voll ist es?) vor Ort sind.
Dann schauen wir uns noch Bodø an, eine ebenfalls im 2. Weltkrieg von den Deutschen dem Erdboden gleich gemachte Stadt ..., und kaufen ein üppiges Mittagessen aus der Salatbar eines Supermarkts ein.
Drei Stunden vor Fährabfahrt sind wir dann wieder am Terminal und stellen uns geduldig in der Reihe der „Nicht-Reservierten“ an. Alles läuft völlig unkompliziert: bezahlen durchs Autofenster per Karte mit NFC auf dem Smartphone und nennen der eigenen Namen (=Passagiere) auf ein Mikrophon, das uns der Herr Abfertiger unter die Nase hält. Keine Rechnung, keine Automarkierung (Digitalisierung ist in Norwegen wohl ein „bisschen weiter“ als bei uns daheim).
Auch die Überfahrt auf die Lofoten, gut 3,5 Stunden, verläuft easy: guckend, lesend und quatschend.
Am Abend, kurz vor 20Uhr, sind wir dann in Moskenes, fahren als einer der Letzten von der Fähre runter, tuckern noch wenige 100m bis zum Campingplatz, bibbern ein wenig, ob s wohl klappt mit der Aufnahme, bekommen einen der letzten Plätze und sind einfach glücklich, auf den Lofoten nun zu sein. Hoch das Rotweinglas: Auf den Aufenthalt! Prost!
Sonntag, 18. September 2022 und
Montag, 19. September 2022
Der erste Tag auf den Lofoten verlief wechselnd. Morgens sind wir vom Camping Moskenes nach Katzenwäsche und bei kühlen 10°C aufgebrochen und haben wahrscheinlich unsere Fußmatte dort liegen gelassen (jedenfalls ist sie zwei Tage später, wie vom Erdboden verschluckt). In Reine, dem Sehnsuchtsziel, waren wir schnell, doch es gab weder einen Kaffee an irgendeiner Tanke (weil keine Tanke vorhanden), noch gab es einen freien Parkplatz, um den geplanten Wanderweg anzutreten. Das Wetter war mäßig: diesig, nieselig, windig und kühl. Also beschlossen wir zunächst, den Aufstieg auf den Reinebringen auf morgen zu verschieben.
Kaffee gab es weiterhin nicht. Alternativ zum Reinebringen haben wir dann die Wanderroute weiter nördlich zur legendären Bucht Kvalvika herausgesucht. Es war schwierig genug, einen Parkplatz unter den Sonntagsausflüglern zu finden. Zunächst beherzt begannen wir die Wanderoute über Bohlen, die über den moorigen Boden gelegt waren. Dann aber nach ca. 20 Minuten endeten die Bohlen und es galt wieder, große Felsbrocken zu erklimmen und zu überwinden.
Da streikte die Mitläuferin und gab sich geschlagen und wanderte wieder hinab aufs Straßenniveau. Der Meister selbst überwand die Herausforderung und kletterte hinauf bis zum Kamm, von dem man die Bucht ansatzweise auch gut sehen konnte.
Als die beiden wieder zusammenkamen nach 1,5 Stunden fuhren sie weiter bis zum als gut angekündigten Camping Lofoten Beach. Dort tummelten sich etliche Wagemutige in Wetsuits in den Wellen des Atlantiks und übten auf ihrem Brettern zu surfen.
Stetiger Regen setzte ein und wir nutzten die Zeit gut, um unsere Wäsche zu waschen und in den Trockner zu werfen.
Passend zum herbstlichen Wetter und den kühlen Temperaturen gab es an diesem Abend Kohlrouladen mit Kartoffeln.
Auch der nächste Morgen versprach zunächst keine hellen Sonnenstrahlen, sondern weiterhin beständige Nieselei. Wir machten uns auf, zurück nach Reine, = auf die andere Inselseite, zu fahren. Da nun Montag = normaler Wochentag war, hatten wir Glück und fanden auf dem Weg das nette Café Lille Martine und bekamen dort guten Baristakaffee und einen chicen Toast.
Angekommen am Parkplatz zum Wanderweg zum Reinebringen hatten wir wieder Glück und bekamen um 11Uhr eine Lücke für unseren Bus.
Eingemummelt mit Mützen, Handschuhen, wasserdichter Hose und Mantel/Jacke machten wir uns nun endlich auf zum Bergauffußmarsch auf den Reinebringen. Noch wenige Jahre zuvor, als ebenso schon Heerscharen von Touris sich den Berg hinauf quälten, um das „eine Foto“ von oben zu machen, kamen Menschen zu Schaden, ob des steilen, absturzgefährdeten Weges. Daraufhin hat die Gemeinde Reine vor wenigen Jahren nepalesischen Sherpas beauftragt, den Weg hinauf sicherer zu machen. Und so geht man heute 1566 Steinstufen, teils 20cm hohen, hinauf.
Das ist natürlich viel sicherer, aber beileibe kein Spaziergang. Der Weg windet sich in Serpentinen eine lange Steilwand hinauf und ständig denkt man, das kann doch hier gar nicht weiter gehen. Ächzend und schnaufend schleppen nicht nur wir uns hinauf auf die 440m bis zum Aussichtspunkt. Wir machen viele, viele Pausen, um wieder zu Kräften zu kommen. Nach knapp zwei Stunden haben wir´s geschafft (sicherlich brauchen gut trainierte Menschen wesentlich weniger Zeit für die Strecke).
Das eine besondere Foto und noch viele weitere besondere werden gemacht, bevor es wieder abwärts geht. Auch das ist durchaus herausfordernd und kann teilweise nur mit Kindergarten- Treppenschritten bewältigt werden.
Dennoch sind wir stolz, dass wir´s beide geschafft haben und sind nach insgesamt (mit Aufenthalt oben) vier Stunden zurück beim Bus. Der Wettergott hat dies belohnt und uns prächtigen Sonnenschein und extrem wenig Regen geschickt.
Nun geht es wieder weiter gen Norden: wir statten Nusfjord einen kurzen Besuch ab und sind überwältigt von dem „Indian Summer“, den die hiesige Natur präsentiert. Dazu passen die roten und gelben Fischerhäuschen ganz allerliebst.
Unsere erste Idee, heute wild zu campen, verwerfen wir denn doch beim Anblick der durchaus schönen Strände Haukland und Uttakleiv: auch hier wird Gebühr erhoben, nicht zu knapp. Und damit ändert sich unser Ziel und wir steuern den Campingplatz Brustranda Fjordcamping an. Sehr gute Wahl! Wunderschöner Platz, gut ausgestattet und wir sind, mit einem anderen deutschen Camper, der weit weg steht, die einzigen Gäste.
Um dem Abend noch ein wenig Spannung zu verleihen, purzeln der Teekocherin um 22Uhr beim Verlassen der Campingküche mit vollen Tassen und dem Restgeschirr zwei der teuren Primus-Messer durch die Bohlen unter die Terrasse des Gebäudes. Was tun? Der erfinderische Ingenieur greift in der Dunkelheit nach Taschenlampe, Kabelbinder und Säge und fingert geschickt zwischen den Bohlen den unebenen Boden mit dem Werkzeug ab … bis die beiden Messer wieder zurück zu ihren Besitzern finden. Bravo!
Dienstag, 20. September 2022
Es war noch ein besonderes Erlebnis gestern Nacht: entgegen Martins Buhrufen haben wir dann gestern gegen 23Uhr unsere ersten Nordlichter gesehen! Noch schwach grün, langsam flackernd, auf- und abklimmend. Vor lauter Hans-guck-in die Luft stolpert Martin in der Dunkelheit über einen dekorativ drapierten Anker beim Waschhaus und schlägt sich Knie und Ellbogen auf. Das verarzten wir erstmal und gucken dann weiter in den Himmel. Und wir sind voll begeistert. Nordlichter machen glücklich.
Noch im Einschlafen gucken wir immer wieder aus dem Busfenster raus und sagen: guck mal da, da kommt wieder eins!
Am nächsten Morgen ist es a….kalt und wir kommen trotzdem gut zurecht auf dem schönen Campingplatz. Um die übliche Zeit verlassen wir das Areal und umrunden den Fjord. Jetzt und den ganzen Tag über sind wir enorm geflasht von den Herbstfeuern: gelb, orange, grün und rot sind die Blätter der Bäume gefärbt und sie spiegeln sich zudem noch in den Wasseroberflächen. Es ist mehr an visuellem Anreiz als ein Mensch pro Tag verkraften kann. Man muss Unmengen abfotografieren und abspeichern für anregungsärmere Zeiten.
Wir streben Gimsøy an, die nächste Insel. Dort eine einsam stehende Dorfkirche, die an Seilen befestigt wird, damit sie nicht umkippt. Alle Toten auf dem zugehörigen Friedhof sind schon mindestens seit über 70 Jahren begraben.
Auch ein Golfplatz mitten in der Wildnis lockt Menschen an und falls man doch noch mal Kraftstoff braucht, versorgen zwei einsame Zapfsäulen die Durstenden. Der vermeintliche Wal beim Blick auf den tobenden Atlantik ist dann doch wohl nur ein Stein, an dem sich die Wellen brechen.
Dann geht es nach Henningsvaer, einem ehemaligen Fischerort. Heute Foto- und Tourianlaufpunkt. Wir trinken den bisher besten Kaffee auf der Reise und verschnaufen für 20 Minuten in einem netten Café.
Dann durchlaufen wir den kleinen Ort, schießen ein paar Fotos und verlassen ihn in Richtung Norden, zur Hauptstadt Svolvaer. Dort wird neuer Wein, Fiskeboller und andere Lebensmittel eingekauft. Ansonsten gibt die kleine Stadt nicht viel her.
Letzter Punkt der heutigen Route ist Laukvik, einem als malerisch beschriebenen Fischerörtchen auf der westlichen Loftenseite auf der Insel Austnesfjorden. Jetzt im Herbst sieht man keine aufgereihten Kabeljaus an den Trockengestängen und damit hat es sich dann auch mit dem Charme des Ortes.
Wir erreichen den nahe gelegenen Campingplatz Sandsletta und finden einen ruhigen, schönen Stellplatz.
Leider ist der Himmel heute Abend bewölkt, damit gibt es in dieser Nacht wenig Chancen aufs Polarlicht.
Nochmal wiederholt ausgesprochen: diesen visuellen Overkill hier im September auf den Lofoten haben wir nicht erwartet und er flasht uns jeden Tag mehr. Worte reichen hier einfach nicht mehr.
In einem Artikel aus der FAZ von 2012 steht sinngemäß über die Lofoten: „Man hat den Eindruck, als seien die Alpen geflutet worden und nur die Bergspitzen der 3000er schauen aus dem Wasser heraus“. Eine ganz treffende Beschreibung, wie wir finden.
Mittwoch, 21. September 2022
Die ganze Nacht hat es geregnet, auch morgens noch. Heute verlassen wir die Lofoten. Wir fahren knapp 1,5 Stunden an der Küste entlang über die nun schon ins Herz geschlossenen „gelben, bunten Landschaften“, diesmal im Regen, bis wir in Lødingen die Fähre erreichen. Noch einen Kaffee und ein Lachs/Ei Baguette aus der benachbarten Tanke und schon geht es schwuppsdiwupps hinauf auf die Fähre.
Die schaukelt stark bei etwas heftigem Seegang. Nach knapp 70 Minuten schmeißt die Fähre uns in Bognes am Festland wieder raus und wir donnern auf der durchaus attraktiven E6 gen Süden.
Noch immer animiert das Wetter nicht zum Anhalten und Aussteigen und Füße vertreten. Also hören wir unser Krimihörbuch (diesmal Adler-Olson) weiter und freuen uns über die schöne Szenerie draußen.
Das „Drama“ um den Einschreibebrief zuhause konnte dann heute gelöst werden. Es handelte sich um Bußgeldbescheide aus Italien von Events, die über ein Jahr zurück liegen und wo es um zwei Geschwindigkeitsüberschreitungen von jeweils 1 km/h ging. Aber billig wird das trotzdem nicht.
Weiter zu heute: In Straumen folgen wir unserem, auf dieser Reise, neu eingeführten Ritual und gucken, ob der örtliche Supermarkt eine Salatbar hat. Hat er! Das ist unser – verspätetes – Mittagessen, eingenommen im Bus.
Dann geht es noch gute 15km weiter auf der E6 bis nach Fauske. Dort besuchen wir den Eingangsbereich des Marmorsteinbruchs und suchen uns unter dem ausgeschütteten Bruch ein paar hübsche rosa Steine aus.
Nun sind es nur noch wenige Kilometer bis zum Campingplatz Lundhøgda auf der Halbinsel vor Fauske. Wir sind heute gar nicht so viele Kilometer gefahren und trotzdem rechtschaffen müde.
Donnerstag, 22. September 2022
Der Regen der Nacht hat sich am Morgen verzogen und es begrüßen uns sogar milde 16°C.
Heute wird es auch wieder ein arger Fahrtag. Wir streben heimwärts. Morgens wieder Frühstück an der Tanke und dann immer gib ihm die E6 gen Süden.
Einen Stopp legen wir an einem reißenden, tosenden Gebirgsfluss ein und trauen uns sogar über die drüber führende Hängebrücke zu laufen.
Es geht über eine ausgedehnte Hochebene, die in den satten Herbstfarben leuchtet. Die mannigfachen Parkflächen hier deuten darauf hin, dass das ein weitläufiges Wandergebiet im Sommer ist.
Putzig ist, dass die Eisenbahngleise durch diese ganze bezaubernde Landschaft führen.
Wir queren auch dann wieder den Polarkreis und denken, wir stoppen hier mal und gucken uns das Polarmuseum an, aber das ist nur ein gigantischer Souvenirshop in dem sich asiatische Mönche in gelb-oranges Tuch gewickelt gerade eine gelbe Steppjacke aussuchen und den Kauf per Smartphone mit zuhause absprechen. Also bleibt es bei einem Selfie vor dem Polarengel und wir fahren weiter.
In Mo I Rana versorgen wir uns wieder mit Salat, den wir dann später picknicken.
Letzter Zwischen- und Füße-vertrete-Stopp ist dann noch der breite Wasserfall Laksfors, wo das Laichgebiet der Lachsforellen ist. Man kann bis runter zum tosenden Wasser gehen.
Summa summarum: Es ist schon bemerkenswert, dass die zweispurige Europastraße E6 (= 3000km insgesamt), die längste Süd-Nord-Verbindung und Hauptverkehrsstraße Norwegens, eine solche Vielzahl an landschaftlichen Reizen offenbart und auch uns so sehr fesseln kann.
Nach 400km kommen wir am Abend auf dem Campingplatz Langnes an.
Freitag, 23. September 2022
Regentag, Fahrtag … da gibt es nicht viel zu berichten. Wir haben viel Hörbuch gehört (den 8. Fall von Carl Mørk), viel miteinander gequatscht und in der Nähe von Trondheim mittags einen Stopp gemacht, um Mittagessen (Sushi) und Wein einzukaufen. Ansonsten ging es bei Dauerregen die E6 gen Süden. Jetzt, hier ist die Herbstfärbung noch gar nicht so vorangeschritten.
Nach knapp 300km sind wir abends die einzigen Wohnmobilisten auf dem Campingplatz Smegarden.
Samstag, 24. September 2022
Am Morgen hält sich der Regen zurück, sehr freundlich von ihm! Wir machen uns heute schon früh auf und fahren – für uns, weil unvorbereitet und von gestern etwas desillusioniert – durch den wirklich atemberaubenden Dovrefjell- Nationalpark. Die Europastraße 6 führt mitten hindurch.
Das Dovrefjell ist eine knapp 1700 qkm große Hochebene, die von 2000er Gipfeln gerahmt wird. Es ist ein gigantische Wandergebiet. Vor 70 Jahren wurden hier Moschusochsen ausgewildert, die hier frei leben. Außerdem soll es hier Polarfüchse, Elche, Rentiere, Vielfraße und alle möglichen seltenen Pflanzen geben.
An diesem Samstagmorgen sind bereits viele norwegische Fahrzeuge geparkt. Anscheinend zollen die outdooraktiven Einheimischen ihrem vorauseilenden Ruf Tribut. Jedenfalls sind wir sehr fasziniert von der (hier wieder) betörenden Laubfärbung und den „unendlichen, tundraähnlichen Weiten“ und schmieden schon Pläne wiederzukommen (trotzdem gibt es an dieser Stelle kein Foto, weil auch ohne Regen das Wetter und der beginnende Tag noch zu trübe waren).
In Dombås, dem ersten Ort nach 65km, machen wir Frühstückspause. Hier ist ordentliche Logistik (Gastronomie, Tankstellen, Geschäfte) vorhanden und es tummeln sich etliche Menschen.
Als nächstens fahren wir durch das Gudbrandsdalen, das ebenfalls als tolle Landschaft angekündigt wird (wir sind wieder achtsamer und nachschauender geworden). Aber hier können wir auf dieser ersten Durchfahrt die Highlights noch nicht entdecken.
Nächster Stopp Lillehammer. Dort geparkt am Olympiapark. Sicht auf die Doppelsprungschanze: die eine mit dem „Kritischen (Absprung-)Punkt“ 123m und die andere mit dem K-Punkt 90m. Wir laufen hinunter in die Storgata (= Hauptgeschäftsstrasse). Dort ist Halligalli, vielleicht zur Tag-/Nachtgleiche? Ein in Matrosenkluft steckendes Orchester macht laut und fröhlich Marschmusik in der der Stadt.
Wir gucken in das eine oder andere Geschäft, aber nichts animiert uns zum Kaufen. Nach einer guten Stunde sind wir zurück am Auto und lullern ohne Stress zum letzten unsere norwegischen Campingplätze 35km hinter Lillehammer.
Sonntag, 25. September 2022
Wir kommen früh los vom Campingplatz, frühstücken wieder – lieb gewonnenes Ritual – an einer der nächstgelegenen Tanken und düsen dann über die E6 in Richtung Göteborg. Nach knapp drei Stunden wird eine Pause fällig und wir steuern „Gamlebyen Fredrikstad“ an, die völlig intakte Altstadt mit Festungsanlage aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. An diesem schönen, warmen Herbstsonntag tummeln sich viele Familien und Paare in dem beschaulichen Areal zwischen Wallanlagen und Kopfsteinplastergassen.
Wir vergnügen uns dort eine gute Stunde bevor es dann weiter geht und wir Norwegen wirklich verlassen (für dieses Mal) und nach Schweden eintauchen. 250km geht es immer entlang auf der E6, mittlerweile Autobahn, bis wir knapp 80km nach Göteborg zum Campingplatz Apelviken bei Varberg abbiegen.
Gleich sind wir da … doch oh Schreck, da liegt ein Mann ausgestreckt auf dem Rücken neben der Straße. Auf den ersten Blick sieht er aus wie tot. Wir halten an, eine Radfahrerin kommt mehr oder weniger zeitgleich mit uns an. Der Mann rührt sich nun doch ein wenig. Die Radfahrerin zückt das Smartphone und ruft eine Notrufnummer an. Der Mann will sich aufsetzen, er hat eine blutende Wunde am Hinterkopf.
Lange Minuten stehen wir daneben, reichen Papiertücher, die schwedische Radfahrerin telefoniert und telefoniert. Der Mann ist mittlerweile aufgestanden, etwas benommen, aber er spricht – nicht mit uns. Als wir zehn Minuten untätig herumstehen, fragen wir an, ob wir noch gebraucht werden. Als dies verneint wird, fahren wir weiter. Niemand sagt danke.
Der Campingplatz ist äußerst lau besucht. Die Lokale haben schon zu. Wir machen einen kleinen Spaziergang hinunter zum Strand am Kattegat und verbringen danach unseren eventuell letzten gemütlichen Abend in diesem Urlaub in unserem Bus. Ein wunderbarer Wolkenhimmel verabschiedet diesen Tag.
Montag, 26. September 2022
Dann geht alles ganz fix: Morgens Abfahrt bei tristem Wetter vom schwedischen Campingplatz. Wir streben der Oeresund-Brücke entgegen und betreten dänisches Territorium.
Dann sind es noch 170km bis Gedser. Von dort geht unsere Fähre nach Rostock. Am Abend kommen wir wieder in Deutschland an und sind dann kurz vor 21Uhr daheim.
Unsere Fazits:
• Zu den Campingplätzen: wir fanden das Einchecken auf allen Campingplätzen sehr wenig bürokratisch und damit unkompliziert. Die Sanitäranlagen waren manchmal moderner und chicer, manchmal in die Jahre gekommen. Aber allesamt sehr sauber. Einzig zu bemängeln: die oft etwas geringe Anzahl der zur Verfügung stehenden Einzelwaschräume oder Duschen, was aber jetzt in der Nebensaison nicht ins Gewicht fiel – zumindest meistens. Toll war, dass alle Campingplätze „Kjøkken“ zur Verfügung stellten und diese waren manchmal auch echt grandios ausgestattet.
Dann noch ein kurzes Statement zum sogenannten „Wildstehen“: für den einen oder die andere mag das freie, wilde, kostenlose Stehen mit dem WoMo die einzig echte Variante des Wohnmobilistentums sein. Für uns ist es das nicht. Wir schätzen immer sehr, am Abend dann auf einem Campingplatz einzulaufen, Strom und Sanitärgebäude zu haben und uns „sicher“ zu fühlen. Wenn es sein muss, dann können wir das natürlich auch, das mit dem „Wildstehen“, aber wir finden es nicht unbedingt erstrebenswert.
• Zur Reisezeit: Die meisten Urlauber kommen sicherlich im Sommer nach Norwegen, Mitternachtssonne und so … Unsere gewählte Reisezeit im September entstand eher zufällig (Wann gibt es nicht so viele Mücken? Wann sind die Temperaturen noch nicht zu kalt?) Aber dass wir dermaßen beeindruckt werden würden von der eh schon tollen, exzeptionellen Landschaft und dann der atemberaubenden Laubfärbung, das haben wir nicht so erwartet. Aber wir haben uns sehr, sehr darüber gefreut.
• Zum teuren Reiseland: Die Vorabinfo, dass Norwegen ein „Kartenland“ ist, hatten wir in alter Blauäugigkeit nicht ganz ernst genommen und gleich zu Anfang eine kleinere Summe am Bancomaten in NOK gezogen. Davon haben wir kaum etwas ausgegeben, da sogar Toilettennutzung oder andere Kleinstbeträge mit der Kreditkarte bezahlt werden. Der subjektive Eindruck, man gibt gar nicht wirklich Geld aus, wird durch die Nutzung der Plastikkarte verstärkt – und wird zuhause ein Erwachen haben.
Bei Lebensmitteln kann man in den Supermärkten gut sortieren, was man nehmen will. In Restaurants waren wir nie. Und die Option, sich mittags einen Salat in einem Supermarkt an einer Salatbar zusammenzustellen, war ´ne echt gute, gesunde und preiswerte Idee und das Selberkochen am Abend am Platz (s. Kjøkken) mit den mitgebrachten Dosen war ebenfalls prima.
Vermutlich haben wir das meiste Geld für Mobilität = Maut und Fähren und Sprit (zu Zeiten des Ukraine-Krieges) ausgegeben.
Klar ist, wir wollen wieder nach Norwegen reisen. Noch wissen wir nicht wann.